Die Annapurna Basecamp Wanderung stand schon lange auf unserer Bucketlist, vor allem seitdem wir am Poon Hill waren und meine Tochter die fixe Idee entwickelt hatte, den Bergen nochmal näher sein zu wollen. Nachdem sie dann auf dem Langtang Trek und in Mustang gezeigt hatte, dass sie fit wie ein Turnschuh ist, war es endlich Zeit für diese große Herausforderung: Das Annapurna Basecamp.
Wir wollten uns genug Zeit für die Akklimatisierung lassen und haben es daher langsam angehen lassen. Um ehrlich zu sein, hatte ich immer noch die vielen Treppenstufen auf dem Weg zum Poon Hill im Kopf und hatte eigentlich schon fast damit gerechnet, dass ich die Langsame auf dem Trek sein würde, und nicht meine Tochter, die diese wie eine Bergziege hochspringt… Und wie sich zeigen sollte, würde ich mit dieser Vermutung richtig liegen.
Am ersten Tag fuhren wir mit dem Bus von Pokhara nach Nayapul wo wir unsere Wanderung anfingen. Die ersten Stunden folgten wir einer Schotterpiste, aber kurz bevor wir in Tikhedunga ankamen verließen wir endlich die Straße. Von jetzt an ging für die nächsten Tage auf schmalen Pfaden weiter. Wir haben den Tag dann früh beendet, den wir wussten ja, was am nächsten Tag auf uns warten würde: Der lange Aufstieg nach Ghorepani.

Am nächsten Morgen hatten wir ein schnelles Frühstück, um uns so früh wie möglich auf den Weg machen zu können. Nachdem wir zwei Hängebrücken überquert hatten, begannen wir den scheinbar endlosen Aufstieg über die berühmt-berüchtigten 4000 Stufen nach Ghorepani. Zum Glück schafften wir den ersten Teil bis Ulleri früh, so dass wir nicht im vollen Sonnenschein über die Stufen aufsteigen mussten. Dann kam der schöne Teil: Ein Waldstück, das aussieht wie direkt aus dem Märchen. Moos hing von den Bäumen und in der Entfernung hörte man leise Bäche murmeln. Nach einem letzten Kraftakt erreichten wir schließlich Ghorepani. An diesem Abend fühlten wir uns, als wenn wir die zweite Portion Dhal Bhat so richtig verdient hätten.
Am nächsten Morgen steigen Trekker normalerweise früh zum Poon Hill auf, um von dort den Sonnenaufgang zu bewundern. Wir entschieden uns aber dafür, früh weiterzulaufen in Richtung Tadapani um Kräfte zu sparen. Außerdem wussten wir ja, dass uns im Basecamp noch unglaubliche Aussichten erwarten würden. Und schon am Deurali Pass wurden wir nicht enttäuscht, denn die ganze Annapurna Bergkette lag wunderbar klar vor uns.
Die Nacht in Tadapani war sehr kalt, doch am Morgen wurden wir durch wunderbare Ausblicke belohnt. Auf dem Weg zur Küche, um meinen ersten Kaffee am Morgen zu holen, durfte ich einen wunderbaren Sonnenaufgang über den schneebedeckten Bergen beobachten. Meine Tochter war allerdings nicht sehr beeindruckt – ihre Priorität in dem Moment lag darauf, endlich ihre Pfannekuchen zum Frühstück zu bekommen…
Nachdem wir uns gestärkt hatten, ging es weiter auf dem Weg nach Chhomrong. Während es auf der Karte wie ein leichter Wandertag aussah, so sah die Realität doch anders aus – wir mussten einen langen Abstieg zu einem Fluss schaffen, und nach der Überquerung der Hängebrücke dann dien ganzen Höhenmeter auf der anderen Seite wieder hochsteigen, um nach Chhomrong zu gelangen. Natürlich wusste ich vorher, dass wir auf diesem Weg hochlaufen müssen – das Basecamp liegt ja auch einer beeindruckenden Höhe. Ich hatte mir aber nicht klargemacht, dass wir so viele Seitentäler überqueren müssten, in die man immer zuerst wieder absteigt, bevor es dann wieder auf der anderen Seite hochgeht. Das ist nicht nur hart für die Beine, sondern auch für den Kopf – man muss alles Höhenmeter wieder aufgeben, die man am Tag vorher mühsam erstiegen hat, nur um dann wieder ein Stück höher zu steigen…
Wir erreichten Chhomrong und konnten hier die letzten Sonnenstrahlen auf der Dachterrasse beim Kartenspielen genießen. Diese Nacht war die letzte, in der wir ein Doppelzimmer bekamen, im Anschluss mussten wir uns immer ein Zimmer mit anderen teilen. Der nächste Tag war nicht viel anders als der Tag davor, ein Abstieg, eine Hängebrücke, ein Aufstieg. Das Dorf Chhomrong zieht sich sehr lang an der Bergflanke entlang und ist sehr schön. Der Weg führt hier durch Reisfelder und entlang alter Häuser. Man bekommt einen wirklich spannenden Einblick in die traditionelle Lebensweise der Menschen. Langsam wurde das Tal auch ein bisschen enger und wir bekamen ein Gefühl dafür, wo wir hin unterwegs waren.
Wir verbrachten die nächste Nacht in Doban, um uns die Gelegenheit zur langsamen Akklimatisierung zu geben. Von hier ging es weiter nach Deurali mit einer langen Mittagspause in Himalaya, wo wir nochmal Sonnenstrahlen auftankten – wir wussten ja, dass es weiter oben noch deutlich kälter sein würde. Die kurzen Wandertage entschädigten uns für das viele auf und ab und auch meine Tochter wurde langsam so richtig aufgeregt, da wir dem Basecamp langsam näherkamen. Sie hatte so lange davon geträumt, und jetzt standen wir kurz davor.
Nach einer kurzen Nacht begannen wir den finalen Aufstieg ins Annapurna Basecamp. Das Tal wurde jetzt deutlich schmaler und wir liefen für eine Weile an einem Fluss entlang. Nach einem steilen Aufstieg kamen wir im Macchapuchre Basecamp an, wo wir unsere Mittagspause machten. Als wir im Gasthaus ankamen, wurde es schon wolkiger um uns herum, als wir dann aber weiterlaufen wollten, war die Temperatur um mehrere Grad gefallen und die Sichtweite betrug nur noch wenige Meter, wenn überhaupt. Es war also keine vielversprechende Aussicht, die letzten Kilometer in den Wolken laufen zu müssen, und zu allem Überfluss fing es dann auch noch an zu regnen. Wir zogen also alle Anziehsachen an, die wir finden konnten und machten uns mit geringer Motivation auf den Weg zum Endspurt. Meine Tochter trottete langsam hinter mir her und ich musste aufpassen, nicht zu weit vor ihr zu laufen, sonst hätte ich sie sofort aus den Augen verloren.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit hörten wir dann freudige Stimmen vor uns rufen. Mit neuer Motivation liefen wir schneller und plötzlich erschien ein Schild direkt vor uns aus dem Nebel: Warmly Welcome to all Visitors, Annapurna Basecamp. Unsere Freude war unglaublich, als wir plötzlich realisierten, dass wir es endlich geschafft hatten. Nach weiteren 15 Minuten erreichten wir das Gasthaus und wärmten dort erstmal unsere eiskalten Finger an einem heißen Tee. Die Wolken waren jetzt noch dichter um uns herum und man konnte nichts sehen – aber das war uns in dem Moment auch egal, wir waren wenigstens warm und trocken. Nach einer sehr unruhigen Nacht in einem Zimmer mit 15 weiteren Trekkern, wachten wir zu einer großen Überraschung auf. Über Nacht hatten sich die Wolken verzogen und es wurde uns zum ersten Mal klar, dass wir komplett von Bergen umgeben waren. Die Bergspitzen des Machhapuchre, Annapurna I und Gangapurna sahen so nah aus, als wenn wir sie anfassen könnten, wenn man nur die Finger ausstreckt. Immer noch ein wenig müde bewunderte meine Tochter die Schönheit der Berge um sie herum. Wir hatten es endlich geschafft, und sie hat mir wieder bewiesen, dass sie eine echte Kämpferin ist – leicht war es nämlich sicherlich nicht. Und dann sagte sie mir: „Mama, es war wirklich schwierig, und ich mag die Stufen wirklich gar nicht, aber ich glaube es ist schon richtig, dass man sich so sehr anstrengen muss, um etwas so Schönes sehen zu können!“ Und dem kann ich nur aus ganzem Herzen zustimmen!
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