Im September 2022 leitete ich eine Trekkingtour zur höchsten Bergwand der Welt zu leiten: zur Rupalwand des Nanga Parbat (8125m) im Norden Pakistans. Der Nanga Parbat bildet den westlichsten Punkt des Himalaya und liegt in der Nähe der Kollisionszone der drei höchsten Gebirgsketten der Welt: Himalaya, Karakorum und Hindukusch. Das Gebiet ist weltweit einzigartig für seine immensen Höhenunterschiede. Innerhalb von nur wenigen Kilometern erhebt sich das Nanga Parbat-Massiv mehr als 7000 m über dem nahe gelegenen Indus-Tal.
Das Gebiet um das Nanga Parbat-Massiv bietet ein hohes Potenzial für Trekking- und Abenteuertourismus. Während es auf der Nordseite, an der „Märchenwiese“ (Fairy Meadows) etwas Tourismus gibt, sind die Regionen im Süden und Osten von Touristen fast unberührt.

Eine Wanderung ins Rupal-Tal auf der Südseite des Nanga Parbat wird nicht nur durch großartige Bergpanoramen belohnt, sondern ist auch kulturell sehr bereichernd. Es handelt sich um eine relativ leichte Wanderung, deren höchster Punkt auf 3600 m liegt, und die in nur drei Tagen von Tarshing nach Tarshing bewältigt werden kann.
Schon die Anfahrt nach Tarshing ist spektakulär: eine abenteuerliche Straße ist in die Felsen einer steilen Schlucht gebaut und führt durch das Astor-Tal nach Tarshing, wo die Straße endet, und der Trek beginnt.
Tarshing ist ein schönes, ruhiges Dorf. Wir begannen unseren Trek hier, beobachteten das Dorfleben und sahen den Bewohnern bei der Arbeit auf ihren Feldern zu. Kurz hinter dem Dorf überquerten wir den Chongra-Gletscher, der hier vollständig mit Geröll bedeckt und daher leicht zu überqueren ist, und erreichten ein weiteres schönes Dorf, Rupal.

Die Dörfer im Tal werden sowohl von schiitischen als auch von sunnitischen Muslimen bewohnt, die hier relativ friedlich zusammenleben.
Die Nacht verbrachten wir in unseren Zelten auf 3500m unterhalb der mächtigen Rupalwand im Herrligkoffer Camp, benannt nach dem deutschen Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer, der besessen war vom Nanga Parbat und zu seinen Lebzeiten viele Expeditionen zu allen Seiten des Berges organisierte. Am Abend verschwanden die Wolken an der Rupalwand und wir genossen einen atemberaubenden Blick auf diese Wand aus Fels und Eis, die mehr als 4500 m hoch in den Himmel über dem Camp ragt. Keine andere Bergflanke der Welt ragt vom Basislager höher in den Himmel.
Es war kaum möglich, diesen Berg zu betrachten, ohne an seine Geschichte und die Tragödien zu denken, die sich an seinen Flanken abgespielt haben. Der Nanga Parbat ist unter den Achttausendern vielleicht unübertroffen, wenn es um Tragödien und wichtige historische Ereignisse im Bereich des Himalaya-Bergsteigens geht. Er war der erste Achttausender, dessen Besteigung 1895 von dem Briten A.F. Mummery versucht wurde. Mummery und sein nepalesischer Sherpa verschwanden spurlos bei diesem Versuch, sie waren die ersten von vielen Todesopfern am Berg.
In den 1930er Jahren versuchten mehrere deutsche Expeditionen, den Gipfel zu erreichen, und viele dieser Versuche endeten in Tragödien. Mehr als 30 Sherpas und westliche Bergsteiger kamen insgesamt in dieser Zeit bei Lawinenabgängen hoch oben am Berg ums Leben, während der Gipfel unbezwungen blieb. Diese verhängnisvollen Expeditionen brachten dem Berg den Ruf eines der tödlichsten Berge der Welt ein und führten zu seinen berüchtigten Spitznamen „Killer Mountain“ und „Schicksalsberg der Deutschen“.

Erst im Jahr 1953 gelang die Erstbesteigung durch den Österreicher Hermann Buhl.
Am nächsten Morgen bauten wir unser Lager ab und machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, der Hochalm von Latoboh. Wir überquerten einen weiteren Gletscher, den Bazhin-Gletscher, und erreichten gegen Mittag bereits das Latoboh-Camp. Am Nachmittag unternahmen wir eine kurze Wanderung zu einem nahe gelegenen Gletschersee mit atemberaubender Aussicht.
Der Nanga Parbat ragte direkt nördlich von uns in den Himmel, die Toshe Peaks im Westen und die Rupal und Schlagintweit Peaks im Süden. Nach einer weiteren schönen Nacht am Fuße des Nanga Parbat wanderten wir denselben Weg zurück nach Tarshing und beendeten damit unsere kurze, aber unvergessliche Reise ins Rupal-Tal.
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