“Mama, guck mal, da ist ein Yak!“ Meine Tochter rennt auf mich zu, nachdem sie eigentlich schon um die nächste Ecke unseres Weges gebogen war, der sich an der Bergflanke entlang schlängelt. Sie wollte ein Yak sehen, seitdem wir die Wanderung begonnen hatten, so dass dies ein ganz besonderer Moment für sie war. Mit jedem Schritt, den ich gehe, kann ich mehr von dem beeindruckenden Tier sehen. Erst die Hörner, dann den haarigen Kopf und schließlich das ganze Yak. Es liegt im Gras und kaut ununterbrochen, mit den schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund. Kann eine Aussicht besser sein?
Der Langtang Trek in Nepal ist einer der bekanntesten und beliebtesten Wanderwege im Land. Der Langtang Nationalpark liegt im Norden von Kathmandu und grenzt an Tibet. Es gibt drei Hauptwege, die man auch kombinieren kann, wenn die Zeit reicht: Langtang, Helambu und der Tamang Heritage Trail. Leider war die Gegend stark vom Erdbeben im Jahr 2015 betroffen, aber viel wurde bereits wiederaufgebaut. Vor einiger Zeit entschieden meine achtjährige Tochter und ich uns dazu, den Langtang Trek für acht Tage zu laufen und wir hatten eine wunderbare Zeit.
Wir begannen unsere Wanderung in Syarubesi nach einer sehr ruckeligen, zehnstündigen Busfahrt. Wir haben die erste Nacht in Syarubesi übernachtet. Wenn man früh genug hier ankommt, macht es allerdings mehr Sinn, den Fluss zu überqueren und auf der anderen Seite zu schlafen – hier ist es viel ruhiger. An unserem ersten Wandertag mussten wir viele Hängebrücken überqueren. Meine Tochter hatte sehr viel Spaß mit den Brücken, während ich ein wenig Höhenangst habe und durchaus meine Probleme hatte. Aber auf die andere Seite habe ich es trotzdem geschafft!

Der Langtang Trek folgt dem Langtang Tal hinauf bis nach Kanjin Gompa, wo die meisten Wanderer umkehren. Fast den ganzen Weg lang folgt man einem Fluss. Dies macht die Wanderung perfekt für Kinder. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie oft wir anhielten um unsere Füße ins Wasser zu halten, mit Booten aus Blättern und Stöckchen zu spielen, oder einfach auf den großen Steinen am Ufer herumzuklettern.
Nachdem es flach bergauf bis Bamboo ging, war die zweite Hälfte des Tages deutlich anstrengender: es ging hinauf. Über viele Treppen und entlang des Flusses stiegen wir langsam auf und kamen schließlich in Rimche an, wo wir die Nacht verbrachten. Alle im Hotel waren unglaublich beeindruckt von der Leistung meiner Tochter, und wir haben den Abend erholsam mit Kartenspielen und leckerem Essen verbracht.
Als wir am nächsten Morgan aufwachten, hatte uns leider das Glück mit dem Wetter verlassen. Wir fanden uns in der Mitte der Wolken wieder und konnten nicht mehr weiter als fünf Meter sehen. Trotzdem haben wir uns auf den Weg gemacht, und es war sogar eine sehr interessante Erfahrung. Der Nebel betäubte alle Geräusche und manchmal fühlten wir uns, als wenn wir durch ein Märchenland laufen würden. Durch einen dichten Rhododendron Wald bewegten wir uns langsam im Tal aufwärts. In Gumna Chowk machten wir eine Pause fürs Mittagessen, wo wir die besten Käse-Momos probieren durften, die ich je gegessen habe.
Im Anschluss wurden die Wolken noch dichter und es begann zu regnen. Wir haben uns trotzdem weiter mit dem schlechten Wetter herumgeschlagen, bis wir nach zwei Stunden entschieden, die Nacht in Thyangyap Village zu verbringen. Wir kamen hier früh an, so dass meine Tochter noch Zeit hatte, mit ihren Püppchen zu spielen und ich in Ruhe ein paar Seiten lesen konnte und meinen Tee genießen konnte. Unser Zimmer war im Erdgeschoss und hatte eine Tür zum Dorfplatz. Nach einiger Zeit hatten wir sogar einen Besucher – die Kuh unserer Gastgeberin kam vorbei und streckte ihren Kopf in unser Zimmer, um mal nachzusehen, was wir da eigentlich machten.
Am nächsten Tag sah das Wetter viel besser aus und wir machten uns auf den Weg für das letzte Stück bis Kanjin Gompa. Die Landschaft öffnete sich und wir ließen den Wald hinter uns. Als die Sonne herauskam, wurde mir klar, dass wir mit den Wolken am Vortag eigentlich Glück gehabt hatten, da es schnell viel zu heiß wurde. An diesem Tag sahen wir auch unser erstes Yak. Meine Tochter war so aufgeregt und machte so viele Bilder von dem Tier. Wir blieben aber in einer Entfernung, da wir vorher so einige Geschichten über schlecht gelaunte Yaks gehört hatten.
Den großen Erdrutsch zu überqueren, der das Dorf Langtang beim Erdbeben in 2015 vernichtet hatte, war sehr schwer für uns, da wir immer noch mit unseren eigenen Erinnerungen an die Tragödie zu kämpfen hatten. Zu sehen, dass die Menschen an einer sichereren Stelle wiederaufbauten und die Erinnerung an ihr schönes Dorf so in Ehren hielten, war aber ein sehr ermutigender Gedanke. Nachdem wir ein leckeres Dal Bhat zum Mittagessen gegessen hatten, gingen wir weiter in Richtung Kanjin Gompa, unserem letzten Halt.
Kanjin Gompa ist auf einer Höhe von 3860 Metern, so dass man die Höhe auf jeden Fall fühlt und sie auch ein Problem werden kann. Kinder sind nicht empfindlicher für die Höhenkrankheit, trotzdem sollte man die Augen in dieser Höhe immer für die frühen Symptome der Höhenkrankheit aufhalten. Man sollte sicherstellen, dass Kinder genug Wasser trinken und mit ihnen darüber sprechen, damit sie auch selbst wissen, was frühe Symptome sein können. Wenn man bemerkt, dass Kinder sich anders als normal verhalten und es dafür keine Erklärung gibt, sollte man schnellstens absteigen. Zum Glück hatten wir solche Probleme nicht und meine Tochter hatte weniger Probleme mit der Höhe als ich.
Nach drei wunderschönen Tagen mit tollen Ausflügen in Kanjin Gompa machten wir uns wieder auf den Rückweg ins Tal und mussten uns schweren Herzens vom schönen Dorf verabschieden. In der ersten Stunde liefen wir über eine dünne Schneeschicht, bevor die Sonne aufging und alles wegschmolz. Unter einem blauen Himmel zu laufen war eine komplett andere Erfahrung. Obwohl wir den gleichen Weg zum Abstieg nutzten, erkannten wir fast nichts wieder. Mit einer Übernachtung in Gumna Chowk und einer weiteren Portion der köstlichen Käse-Momos stiegen wir wieder bis Syabrubesi ab.
Diese acht Tage waren eine wundervolle Erfahrung und meine Tochter hatte unglaublich viel Spaß. Die Menschen in Langtang hießen uns sehr willkommen und waren beeindruckt von ihrer Kraft. Sie war natürlich auch stolz auf das was sie geschafft hatte und die Schönheit der Natur war einfach nur bezaubernd. Trotzdem war sie sich sicher, was das Beste an der Wanderung war: „Das Beste war, ein Yak zu sehen!“
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